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Monatstext November 2023 von Adelheid Heeb Guzzi, Pfarrerin
– die beiden unzertrennlichen Geschwister – Von Trost und Kraft
Der November ist im Kirchenjahr jene Zeit, die in Erinnerung ruft, dass es immer wieder Dunkelheit in unserem Leben geben kann. Er lädt uns ein, stehen zu bleiben und hinzuschauen: Mangel, Verlust, Angst, Brüche gehören grundlegend zur menschlichen Existenz, zur Geschichte der Menschheit, wie im Sommer des Lebens die Ausgelassenheit und Fülle. Keiner ist davor gefeit, der/die Gläubige so wenig, wie der/die erklärte Atheist:in.
Das Gefühl der Krise passt in diese Jahreszeit. Der Gedanke der Vergänglichkeit wird durch die verblühende Natur unterstrichen. Sie macht es uns vor. Weniger Licht und niedrige Temperaturen stimmen sensibel für die Auseinandersetzung mit ‘inwendigen’ Themen und seelischen Abgründen. Kein Lebenslauf bleibt davon unberührt: Die leiblichen Eltern sterben irgendwann, Konflikte bei der Arbeit, durchkreuzte Pläne, das Scheitern einer Ehe, Krankheit... Der November erscheint mir darum wie eine ‘Trainingseinheit’ für den Umgang mit Abschied, Trauer und Enttäuschungen. Würden wir das ausblenden, würden wir uns und andere nicht ernst nehmen. Wir sind, solange wir leben verwundbare, verletzliche und sterbliche Wesen – das darf weder bagatellisiert noch versteckt werden. Wichtig ist aber, im Umgang mit dieser Tatsache eine Haltung zu finden, die uns selbst durch die dunkelsten Momente trägt; dass wir den Mut finden, uns einer Kraft anzuvertrauen, welche die Gewissheit vertieft, nie verloren zu gehen, was auch immer geschieht und dass das Leben mit all seinen Farben kostbar ist und bleibt. Das ist uns zum Trost angeboten. Jesus hat es vorgemacht. Sein Leben und Sterben sind ein einzigartiges Zeugnis dafür. Wie er sich mit seinen Freund:innen verbunden hatte, so verband er sich auch mit seinem Gott. Er berührte und wurde erührt. Er liebte und wurde geliebt. Er schaffte eine eigene Form der Durchlässigkeit und Transparenz zwischen Himmel und Erde. Auch wir können das. Wer diese Form regelmäßig pflegt, schult Herz und Verstand und kann zu eben einem solchen Halt finden. Um in einem Bild zu sprechen: Beten ist eine Art Herzens-Jogging. Indem ich es regelmäßig übe, entfaltet es genau dort seine Wirkung. Eine meiner persönlichen Übungen sind das Betrachten und mich ausruhen in Ikonenbilder. Doch es müssen nie zwingend Ikonen sein. Jedes Bild, das uns gefühlsmässig und spirituell anspricht, kann zu einem Spiegel der Wirklichkeit Gottes in unserm Leben werden. Dieses in Ruhe zu betrachten, bringt eine Ahnung von der Kraft Gottes zum Vorschein. Wie es der Psalm 126 verspricht: ‘Verwandlung und Stärkung ist möglich, wenn wir Gott in unser Leben einbeziehen. ’ So kann auch in dunklen Momenten etwas vom Geschmack des Lichtes von Advent geahnt werden. Tod, Leben, Dunkelheit und Licht bleiben immer die beiden Seiten derselben Medaille.
Adelheid Heeb Guzzi, Pfarrerin